Paare im Alltag: Wenn das Ich schwindet …

Was geschieht mit uns, wenn wir ein Paar geworden sind? Werden die Gewohnheiten uns auffressen? Oder können wir unsere Liebe durch den Alltag retten?

Im Alltag ein Paar – falls noch Zeit übrig ist

Frau von riesigen Wanduhren bedrängt, hält sich die Ohren zu.Wie oft hören wir von Freundinnen und Freunden, dass sie im Alltag vor lauter Arbeit und Haushalt kaum noch Zeit füreinander haben? Wie oft merken wir selbst, dass Kinder und Wäsche an erster Stelle stehen und nur dann, wenn noch Zeit übrig ist, der Partner oder die Partnerin wieder in den Fokus gerät.

Schlimmer noch: Wie sorgsam gehen wir im Alltag mit uns selbst um? Denken wir, es sei egoistisch, Zeit für uns und unsere Hobbys zu beanspruchen? Fühlen wir uns unwohl, wenn wir das schreiende Kind dem Gefährten oder der Gefährtin in den Arm drücken, um uns zum Sport davonzustehlen? Wenn im Alltag die Gewohnheiten überhand nehmen und wir mit unseren Gefühlen und Bedürfnissen auf der Strecke bleiben, kann dann Gemeinsamkeit noch funktionieren?

Wo bleibt das Selbst?

Aufdrehpuppe mit riesigem Schlüssel im RückenWenn jemand durchs Leben rast, fremdbestimmt durch Gewohnheiten und von der Uhr getaktet, kaum Zeit zum Nachdenken über sich und seine / ihre Beziehung hat, sich Freizeit und gemeinsame Zeit nur gönnt, wenn alle (anderen) Verpflichtungen erledigt sind – wo bleibt sie oder er mit seinem Selbst?

Wenn das Leben funktioniert und Sie als Paar den Alltag geregelt kriegen – Kinder, Haushalt, Beruf, Familie – alles super läuft, heißt das noch lange nicht, dass es auch gut ist. Sicher, an der Oberfläche ist es klar und glatt, aber was brodelt in der Tiefe und kommt nicht ans Licht? Drängt immer stärker und wird irgendwann mit Gewalt hervorbrechen?

„Wie allein jeder von uns war …“

Die Schriftstellerin Nicole Krauss zieht nach der Trennung von ihrem Mann Jonathan Safran Foer eine traurige Bilanz: „Wir waren unseren Kindern so ergeben, dass die wachsende Entfernung zwischen uns mit all der Liebe und Aufmerksamkeit, die in unserem Haus regelmäßig gegenwärtig war, zuerst entschuldigt, dann verschleiert werden konnte“, schreibt sie in ihrem Roman „Waldes Dunkel“. „Aber an einem gewissen Punkt hatte das Hilfreiche an unserer geteilten Liebe zu den Kindern eine Art Höhepunkt erreicht und zu schwinden begonnen, bis es sich als gar nicht mehr hilfreich für unsere Beziehung erwies, weil es nur ein Licht darauf warf, wie allein jeder von uns war und, verglichen mit unseren Kindern, wie ungeliebt.“
(Nicole Krauss „Waldes Dunkel“. Roman. Aus dem Englischen von Grete Osterwald.- Rowohlt 2018. 384 Seiten.)

Als Leserin spüre ich den Sog, der diese empfindsamen und sicher alles andere als oberflächlichen Menschen im Alltag hineinzieht in die Alltäglichkeit des Sichkümmerns und der Verpflichtungen und am Ende die Gewohnheiten keinen Raum mehr zum Atmen und Einanderlieben lassen. Wo, an welcher Stelle, an welchem Punkt hätten sie als Paar das stoppen können, hätten sie dem Einhalt gebieten und sich besinnen können?

Durchs Leben rasen

hüpfendes FohlenViele von uns rasen durchs Leben wie galoppierende Rennpferde und bekommen nicht mit, was sich links und rechts von ihnen abspielt. Sie merken nicht, wann sie innehalten müssen, oder es wird ihnen erst bewusst, wenn es zu spät ist.

Wollen Sie als Person so weit weg von sich selbst?

Kann ich bei Dir meinen Akku aufladen?

Ein Paar sollte sich ein Nest sein. Sie sollten sich nicht aneinander gewöhnen, sondern eine Oase der Ruhe sein, wo man sich fallen lassen und auftanken kann. Wie überzeugend klingt für Sie folgende Szene:

A: „Kann ich bei Dir meinen Akku aufladen?“
B: „Na klar.“
A: „Danke!“
*lässt sich seufzend in Bs Arme sinken*

So muss es sein, oder?

„Du lässt Dich geh’n!“

Paar engumschlungen in LandschaftCharles Aznavour beklagt in seinem ironischen Liebeslied „Du lässt Dich geh’n!“ die Macht der Gewohnheit und Gleichgültigkeit, das Schwinden von Liebe und Zugewandtheit im Alltag – und singt zum Abschluss voller Hoffnung: „An meinem Herzen, das wär schön, da lass Dich geh’n, da lass Dich geh’n!“
(Charles Aznavour: „Tu t’laisses aller“ Deutsch: „Du lässt Dich geh’n“ Ariola 1960)

Wenn das Ich weg ist

Wenn das Ich weg ist, kann das Wir nicht mehr stattfinden. Halten Sie die Augen und Ohren und alle Sinne offen, damit es nicht so weit kommt. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg dabei!

Ihre Petra Glados

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